Wir beerdigen Opa
Eine Situation wie sie unschöner
kaum sein kann.Sie sitzen gemütlich beim
geschmackvoll zugerichteten Abendessen,denken
über die Entstehungsgeschichte des Rosenkohls nach, freuen sich auf
einen entspannten Abend im Kreise Ihrer Kartoffelchips und denken auch
sonst an nichts dramatisches, als sie plötzlich ein undeutliches Röcheln
wahrnehmen können. Ein kurzer Appell an den logischen Part Ihrer
Gehirnstruktur verrät Ihnen zugleich, daß sich jenes Geräusch eindeutig
von den Lauten unterscheidet, welche Ihr Schwiegervater sonst beim
allabendlichen Bekleckern seiner Person unter Zuhilfenahme der jeweils
gereichten Sauce von sich zu geben pflegt. Sie beschließen, Ihren Kopf
um 180 Grad zu drehen und stellen fest, daß besagtes Familienmitglied
entweder Gefallen daran zu finden scheint, seinen Teller zu
zerbeißen, oder schlicht und ergreifend soeben von Ihnen gegangen ist. Bei
einer genauen Untersuchung, die aus einer Abwandlung des Pfanni-Knödel-Tests
besteht und die Ihre Gabel unweigerlich in Opas Oberschenkel
treibt, stellen Sie fest, daß es rein optisch logischer erscheint,
die zweite Ihrer beiden aufgestellten Theorien zu wählen und stehen
nun vor einem echt großen Problem. Sie müssen
nicht nur auf Ihren Nachtisch verzichten, der von Ihrer Frau als
Vanillepudding mit Schokoladensauce deklariert wurde und Sie mehr an
das Toilettenerlebnis ihres letzten Herrenabends erinnert, sondern auch
noch die Beseitigung Ihres Familienmitgliedes einleiten. Kosten
über Kosten werden auf Sie zuströmen, und
Sie werden beginnen, jenen Mann zu hassen, in dessen Bein noch immer Ihre
Gabel steckt. Fremde Menschen mit schwarzen Anzügen und bleichen Gesichtern
werden Ihnen den letzten Pfennig aus der Tasche ziehen, nur weil
man gemeinhin davon überzeugt zu sein scheint, aus einem lächerlichen
Allerweltsereignis eine staatsaktähnliche Attraktion gestalten
zu müssen. Der fröhliche Heimwerker wird Ihnen in den folgenden
Kapiteln helfen, die Kosten für die Unterbringung Ihres Familienmitgliedes
so gering wie möglich zu halten, und Sie
werden feststellen, daß Basteln und Organisieren recht viel Spaß für die
ganze Familie bereiten kann. Beginnen wir
also, Ihren Opa systematisch und ohne Hektik unter die Erde
zu bringen. Denken Sie immer daran, daß die gemeinsame Bewältigung einer
Aufgabe den Familiensinn Ihrer noch lebenden Angehörigen beträchtlich
steigert.
Kapitel 1. Sofortmaßnahmen
am Fundort
Besorgen Sie sich zunächst einen reißfesten Müllsack,
in den Sie Ihren Opa artgerecht und luftdicht
verpacken. Denken Sie daran, daß jede Minute,
die der sabbernde Teil von Opas Kopf auf Ihrem Teller ruht, der
immerhin wichtiger Bestandteil eines meist doch recht teuren Services darstellt,
dazu führen kann, daß Ihre Frau bemerkt, es wäre unappetitlich, weiterhin
von selbigem zu essen, und man müsse sich nun ein neues Eß-Service
zulegen. Begeben Sie sich anschließend zum Telefon und vereinbaren
Sie mit Ihrem Hausarzt einen Termin. Denken Sie daran, daß ein
abendlicher, außerplanmäßiger Einsatz Ihres Hausarztes unnötige Zusatzkosten
verursacht. Bestellen Sie besagten Arzt für einen der folgenden
Vormittage und lagern Sie Ihren Opa derweil auf Ihrem Balkon. Sollten
Sie keinen Balkon besitzen, wird Ihnen nichts anderes übrig bleiben,
als Opa im Keller zu verstauen. Es wirkt nicht gerade beruhigend auf
den Rest Ihrer Familie, beim gemeinsamen Fernsehabend unentwegt auf
einen blauen Müllsack auf dem Teppich starren zu müssen. Beachten
Sie des weiteren, daß Opa nicht zuviel Platz in Ihrem Keller einnehmen
sollte, da Sie selbigen in einem anderen Abschnitt dieser Anleitung
noch benötigen werden. Zur Not reicht es, Opa unter Zuhilfenahme
einiger dazu geeigneter Nägel an die Kellerwand zu hängen. Sollten
Sie sich nicht als allzu perfekten
Hammerhalter einschätzen, versuchen Sie von einem
Ihrer Nachbarn einen Tacker zu leihen. Beachten Sie, daß sich weder Tesafilm,
noch Sekundenkleber zur fachmännischen Anbringung Ihres Opas an
der Kellerwand eignen.
Ist Opa erst einmal fachgerecht verstaut, haben Sie
den schwierigsten Teil Ihrer Mission bereits
erfüllt. Sie sollten sich nun ausruhen und den Abend unbedingt
im Kreise Ihrer Familie verbringen. Spielen Sie ein nettes Gesellschaftsspiel
oder laden Sie Ihre Familie in's Kino ein. Bedenken Sie, daß
sie Ihre Familienmitglieder in den folgenden Tagen noch benötigen werden
und machen Sie sich bewußt, daß der Kostenfaktor, den wir ja so gering
wie möglich halten wollen, proportional zur Einsatzbereitschaft Ihrer
Lieben sinkt oder steigt.
Kapitel 2.
Vorbereitungen einer fachmännischen Unterbringung
Denken Sie daran, daß
Ihnen vom Gesetz her einige Dinge vorgeschrieben werden,
die Sie bei den nun folgenden Bastelarbeiten beachten sollten. Nachdem
Ihr Hausarzt Ihnen bestätigt hat, daß das, was fachgerecht an Ihrer
Kellerwand baumelt,
a) Ihr Opa war, der
b) nun auch offiziell das
Pech besitzt, tot zu sein, geben wir Ihnen nun eine
kleine, aber durchaus ausreichende Übersicht
der möglichen Unterbringungsarten.
a) die lautlose Verbrennung
atmosphärischer Natur
b) das rustikale Verbuddeln
c) das fröhliche Ertränken in seefachgerechter
Umgebung
d) das beliebte Ausstopfen in gemeinsamer Heimarbeit
Punkt a)
sollten Sie aus Ihren Überlegungen streichen. Denken Sie daran, daß
sich Ihre Nachbarn bereits nach Ihrem letzten Grillabend über ständige
Rauchbelästigung beschwerten. Außerdem könnte übermäßige Rauchentwicklung
dazu führen, daß sich anschließend beträchtliche Teile Ihrer
Wohnung in einem stark renovierungsbedürftigen Zustand befinden.
Punkt c) ist für Ihre
Belange auch weitgehend ungeeignet, da es auf Ihre Verwandtschaft
keinen besonders günstigen Eindruck macht, die Beerdigung
Ihres Opas in Ihrem Badezimmer feiern zu müssen.
Punkt d) sollten Sie
dann aus Ihren Überlegungen streichen, wenn Sie Kinder
Ihr Eigen nennen. Bedenken Sie, daß Kinder die Eigenart besitzen, mit
den unmöglichsten Dingen zu spielen. Sie erwartet einiger Ärger, sollten
Ihre Bälger im benachbarten Kindergarten mit einem Ohr Ihres Opas
auftauchen, welches sie gegen einen Tennisball zu tauschen versuchen.
Entscheiden Sie sich für:
Punkt
b). Wir gehen einmal davon aus, daß
Sie in früheren Tagen schon Erfahrungen im Umgang mit Sperrholz
sammeln konnten, die Ihnen bei einer rustikalen Verbuddelung nun
überaus nützlich sind. Doch bevor Sie sich nun in einigen Fachgeschäften,
auch Beerdigungsinstitute genannt, Ideen und Anregungen
für Ihre Schreinerarbeit holen, sollten Sie einen
Abstecher zur Bank Ihres verblichenen Opas machen und dessen
Konto räumen, bevor es andere tun. Befinden
Sie sich in einem Beerdigungsinstitut und schauen sich einige leicht
nachzubauende Modelle an, so vergessen Sie die Innenausstattung
besagter Objekte. Ist erst einmal Gras über Ihrem Opa
gewachsen interessiert sich kein Mensch mehr für die Tatsache, daß
Opa nun auf Samt und Seide gebettet liegt. Eine alte Decke und ein
Kissen tun es auch. Auch die Bekleidung Ihres Opas spielt keine Rolle.
Zwängen Sie Ihn ruhig in Ihren alten Jogging-Anzug. Opa soll schließlich
so in Erinnerung bleiben, wie man Ihn aus seinen besten Tagen
kannte. Sportlich und durchaus fitter als nun in Ihrem Keller hängend.
Besorgen Sie sich nun in einem Großhandel die von Ihnen sorgsam
errechnete Menge an Sperrholz, einige Nägel und Schrauben. Kaufen
Sie anschließend noch ein paar Filzstifte und etwas Papier. Während
Sie im Keller an Opas zukünftiger Behausung arbeiten, können
Ihre Kinder einige nette Sprüche auf o.a. Papier verewigen, die
Sie anschließend an jene Zimmerpflanze heften, die Ihnen sowieso
schon immer im Wege stand und die Sie schließlich als formschönes
Schmückwerk Ihrer Bastelarbeit benutzen können. Da
ein Ableben nun doch eine gewisse Exklusivität besitzt und auch
nicht allzu häufig im Leben eines Menschen auftritt, raten wir Ihnen,
einige kleine Effekte in diesen feierlichen Moment im Leben Ihres
Opas einfließen zu lassen. Ein tragbarer Plattenspieler sorgt für
eine angenehme Atmosphäre. Beachten Sie, daß es sinnvoll erscheint,
zunächst einige langsame Schallplatten abzuspielen, bevor
Sie Ihre und Opas Gäste mit Ihrer neuen Partymusik-Sammlung
beglücken. Ihre Frau kann während Ihrer zeitaufwendigen
Vorarbeit eine Art Dankesrede schreiben, die
Sie zu Beginn Ihrer Festivität verlesen sollten. Achten Sie darauf,
Ihre Rede nicht allzu üppig zu gestalten, da sich erfahrungsgemäß
eine gewisse Langeweile unter Ihren Partygästen breitmacht,
wenn Sie stundenlang aus sämtlichen möglichen und unmöglichen
Werken deutscher Nachkriegsliteratur zitieren.
Kapitel 3. Die Ausführung
Wir gehen davon aus, daß Sie alle bisherigen
Anweisungen und Vorschläge sorgsam befolgt
haben und beschäftigen uns nun mit dem letzten Kapitel Ihrer
Unternehmung. Die notwendigen Standardartikel stehen zur Ihrer Verfügung
und Opa ruht zufrieden und glücklich in seinem neuen Zuhause, welches
nun prunkvoll verziert in Ihrer Küche steht. Bemühen
Sie sich nun um eine Mitfahrgelegenheit, bei der es zu berücksichtigen
gilt, daß sie entweder über einen entsprechenden Laderaum
verfügen muß, oder einen stabilen Dachgepäckträger aufweisen sollte.
In Ihrem Bekanntenkreis werden sich sicherlich Personen befinden, die
Ihnen eine solches Gefährt gerne für einen kleinen Zeitraum zur Verfügung
stellen Steht besagtes Automobil bereit, ist es an der Zeit einen
geeigneten Ort auszuwählen, sowie den Zeitpunkt der Feier zu bestimmen.
Suchen Sie sich einen Platz aus, dessen Boden nicht zu hart ausgeprägt
ist. Es kann zum Ärgernis werden, Opa unter einem Bürgersteig beerdigen
zu wollen, da Asphalt nun einmal die Angewohnheit besitzt, recht
stabil zu sein. Suchen Sie sich ein ruhiges Fleckchen in einer benachbarten
Parkanlage. Sollten Sie in einer Großstadt wohnen, in der Ihnen
eine solche Anlage nicht zur Verfügung steht, haben Sie dennoch die
Gelegenheit, auf Fußballplätze oder Sandkästen auf Kinderspielplätzen
auszuweichen. Haben Sie einen geeigneten Ort gewählt,
brauchen Sie sich nur noch den Zeitpunkt zu überlegen,
und sie haben jede Menge Geld gespart.